Die Mythen der Wärmedämmung

Wärmedämmung ist brandgefährlich, schlecht für die Ökobilanz und ein Garant für Schimmel – ist das wirklich so? Barbara Metz, Expertin Energieeffizienz bei der Deutschen Umwelthilfe, kommentiert fünf weitverbreitete Aussagen rund um die Wärmedämmung.

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Schimmelbildung
Die Entstehung von Schimmel hängt eng mit den Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnissen in einem Haus zusammen: Duschen, Wäsche trocknen oder einfach nur atmen – überall, wo wir uns aufhalten, entsteht Feuchtigkeit. Wenn diese an kalten Flächen kondensiert, kann Schimmelbildung die Folge sein. Eine Fassadendämmung  verhindert das Auskühlen der Wände und reduziert dadurch  grundsätzlich das Schimmelrisiko. In der Praxis ist es wichtig, dass die Sanierung von einem Profi geplant und einem Fachmann sachgerecht durchgeführt wird. Energetische Sanierungsoptionen müssen im Einzelfall betrachtet und für jedes Gebäude aufeinander abgestimmt werden. Eine ausführliche Bestandsaufnahme und eine gesamtheitliche Betrachtung des Hauses ist das A und O für eine erfolgreiche Sanierung. Ansonsten besteht die Gefahr, dass es infolge von Planungsfehlern oder nicht angepasstem Nutzerverhalten – etwa fehlende Lüftung – zur Schimmelbildung kommt. Derartige Negativbeispiele nähren den Mythos, dass Wärmedämmung zu Schimmel führt. Richtig ist aber: Sorgfältig geplante und korrekt ausgeführte energetische Sanierungsmaßnahmen sind nicht Teil des Schimmelproblems, sondern dessen Lösung und unterstützen ein angenehmes Wohnklima.

Ökobilanz
Bei der ökologischen Bewertung von Dämmmaterialien spielt die Menge der zur Produktion eingesetzten Energie eine große Rolle. Die pauschale Äußerung, dass mehr Energie aufgewendet werden muss, als während der Nutzungsdauer eingespart wird, ist nicht berechtigt. Richtig ist, dass die verschiedenen Dämmmaterialien einen sehr unterschiedlichen Primärenergiebedarf bei der Herstellung haben – zum Beispiel benötigen Schaumkunststoffe viel Energie zur Herstellung und sind obendrein erdölbasiert. Naturdämmstoffe wie Zellulose und Hobelspäne brauchen nur einen Bruchteil davon. Betrachtet man den Zeitraum, ab dem der Dämmstoff mehr Energie einspart, als für seine Fertigung verbraucht wurde, dann ergibt sich – je nach Dämmstoffart, -dicke, Heizungstechnik und Standort – eine energetische Amortisationszeit von in der Regel unter zwei Jahren. Bei der Ökobilanz ist die Lebenserwartung und die Umweltverträglichkeit über den gesamten Lebenszyklus – vom Bau über Nutzung, Instandhaltung, Rückbau und Entsorgung – entscheidend. Dabei werden Rohstoffeinsatz, Schadstoffgehalt und CO2-Emissionen untersucht. Hier gilt: Ökologische Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen weisen oftmals eine deutlich bessere Gesamtbilanz auf.

Dämmpflicht
Beim Thema Wärmedämmung muss zwischen Neu- und Altbau differenziert werden. Bei Neubauten gelten laut Energieeinsparverordnung (EnEV) strenge Auflagen hinsichtlich des Wärmeschutzes – diese sind für den Bauherren verpflichtend. Anders sieht es bei Bestandsbauten aus. Hier gilt: Ist das Dach nicht ausgebaut oder energetisch saniert, dann ist der Hauseigentümer verpflichtet, die oberste Geschossdecke zu dämmen. Gleiches gilt für die Kellerdecke. Entgegen der verbreiteten Meinung besteht aber keine allgemeine Pflicht zur Dämmung der Fassade. Nur wer Instandhaltungsmaßnahmen an seinem Haus vornimmt, die mehr als 20 Prozent der Fläche betreffen – wie beispielsweise eine Erneuerung des Putzes oder eine Verschalung der Mauerwerks –, der muss die Gelegenheit nutzen und eine Dämmung anbringen. Dabei ist die Wahl des Dämmstoffs jedem freigestellt. Die EnEV gibt nur vor, welche energetischen Standards oder DIN-Werte erreicht und eingehalten werden müssen. Ergänzend dazu setzt der Gesetzgeber vor allem auf die Freiwilligkeit von energetischer Sanierung und unterstützt Hausbesitzer durch staatliche Förderung. Dies ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Für eine effektive Kombination der Instrumente „Fördern und Fordern“ greifen die staatlichen Anreize jedoch noch zu kurz.

Brandschutz
Wärmegedämmte Fassaden unterliegen in Deutschland strengen Brandschutzvorschriften, die kontinuierlich geprüft und angepasst werden. Das Thema Brandschutz im Bereich Wärmedämmung wird von öffentlicher Seite sehr ernst genommen, die Bauministerkonferenz hat sich im vergangenen Jahr in mehreren Sitzungen mit dem Brandverhalten von Wärmedämmverbundsystemen mit Polystyrol-Dämmstoffen auseinandergesetzt. Dabei bestätigte sie, dass professionell installierte Wärmedämmung unter Beachtung der geltenden Brandschutzbestimmungen – zum Beispiel durch Einbau sogenannter Brandriegel oder eines Sturzschutzes – sicher ist. Ergänzend dazu werden aktuell erweiterte Regelungen für den Sonderfall einer Feuerursache außerhalb des Gebäudes diskutiert. Darin soll es beispielsweise um Abstandregelungen von brennbaren Materialien wie etwa Mülltonnen zu Gebäudefassaden gehen. In der Berichterstattung über Brandfälle im Zusammenhang mit Wärmedämmung bleiben Besonderheiten zu Einzelfällen und Brandursachen meist unerwähnt. Eine sachliche Aufklärung und qualifizierte Beratung zu wichtigen Brandschutzvorschriften bei Dämmmaßnahmen ist unumgänglich und würde dabei helfen, Ängste zu reduzieren.

Neubau
Allein der Gebäudebereich ist in Deutschland für rund 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und für etwa ein Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich. Gleichzeitig steht der geringen Neubautätigkeit – rund 100 000 Gebäude im Jahr – ein großer Gebäudebestand mit fast 20 Millionen Gebäuden gegenüber. Drei Viertel davon wurden vor dem Wirksamwerden der ersten Wärmeschutzverordnung am 1. Januar 1979 erbaut, was bedeutet, dass ein großer Teil der Gebäude aus Zeiten stammt, in denen Energie als unendliche Ressource wahrgenommen wurde. Dementsprechend unzureichend ist häufig die energetische Effizienz – und entsprechend hoch sind die Energiekosten dieser Gebäude, von denen die meisten bis heute gar nicht oder nach heutigen Maßstäben nur unzureichend energetisch saniert wurden. Ein gewaltiges Einsparpotential im Energieverbrauch liegt also gerade im Bestand – hier können die Reduzierung der Energiekosten, die Verbesserung des Wohnstandards und die langfristige Wertsteigerung der Immobilie Anreize für Sanierungsmaßnahmen bieten. Nur mit kombinierten Zielsetzungen im Neubau wie im Bestand kann die Energiewende in Deutschland gelingen und damit eine Energieversorgung nachhaltig gesichert werden.

Weitere Informationen: Energie-Lexikon